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Es hätte Schottland gewesen sein sollen

  • steffenkoeppen
  • 20. Juli
  • 12 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 4 Tagen

Gastbeitrag von Steffen


Heute gibt es einen Gastbeitrag vom Steffen, der von seiner Reise durch Großbritannien (England & Schottland) berichtet. Gemeinsam mit seinem besten Freund Daniel hat er sich auf gemacht ein Teil des Vereinigten Königreiches zu entdecken. Im Gastbeitrag stellt er die schönsten Ereignisse vor - wenn Du noch mehr lesen möchtest über die Reise von Steffen & Daniel, dann kannst Du das auf ihren Blog. Den sie aufgrund ihrer Reise ins Leben gerufen haben und hier uns mitnehmen auf ihre Reise - hier geht es zum Blog: https://broadtrip0.wordpress.com/


Mehr zum Gastautor erfährst Du, wenn Du hier klickst und am Ende des Beitrages. Und nun viel Spaß mit dem Beitrag von meinem Gastautor Steffen.

Eine Reise sollte es werden.

Eine Reise wurde es.

Aber, so weiß jeder, der eine Reise tut, Planung ist das eine.

Und das andere ... Nun.

Das Andere berichtet man am Besten, indem man von der Planung gar nichts sagt.

Aber: Das ist nur halb so lustig.

Es sollte Schottland werden.

Seit ich damals den ersten Spielfilm mit Verortung in diesem Land sah, war ich interessiert. Letztes Jahr war es dann endlich soweit; ein Kollege und ich planten unseren Trip, der diese Sommerferien stattfinden sollte.

So kam es auch.

Ein Reisekühlschrank, eine große Reisetasche, Schlafsack, Zelt, Luftmatratzen, Wanderrucksack eine Styroporkiste voller Alkohol und Cola sowie achtzehn Liter Mineralwasser brachte Daniel bereits mit, als er mich einlud, mitsamt meinem Koffer, Schlafsack, Beutel mit extra Schuhwerk und meiner Umhängetasche.

Start war um 20 Uhr in Leipzig-Kleinzschocher.

Unterwegs hielten wir kurz in Kirchworbis im Eichsfeld, wo wir auch noch zwei Klappräder ins Vehikel hievten, indem wir vorher das Auto entkernten und das Interieur gänzlich neu positionierten.

Dann düsten wir weiter, Richtung Calais. Frankreichs Küstenstadt lag nicht weit entfernt. Lediglich die Niederlande und Belgien mussten tangiert oder gequert werden, um bei Sonnenaufgang die Fähr- und Hafenstadt zu erreichen.

Möwengeschrei und warmer Wind grüßen uns vom Kanal, ließen das Fernweh einen ersten Geschmack darauf erhaschen, wie sich das Ankommen anfühlen könnte.

Zufällig war der Blick aus dem Fenster an Steuerbord, doch überbordend die Freude, weiße Küsten zu sehen, Kreidegebirge, in Jahrmillionen angehäuft, aus Schalen einzelliger Foraminiferen gestapelt, erhoben aus den Tiefen der Meere, gedrückt, gezerrt, gefroren und zerrissen, zerteilt und abgeschliffen, nur noch so wunderschön an wenig anderen Küstenstreifen sichtbar.

Dieses war die Bestätigung, was uns der Telefonanbieter schon vor einer halben Stunde prophezeite. Wir waren in Großbritannien.

Die Kreideküste bei Dover
Die Kreideküste bei Dover

Tief hing der Dunst, gleichsam weiß und undurchdringlich, wie die Gischt am Fuß der Kreide. Doch unbeeindruckt ob dieser Begrüßung durch das Land, die Sprache der Bewohner oder die Eigenart, die Kutsche linkerhand zu lenken, leiteten wir uns als Erstes dieser Küste zu, stiegen hinab und schauten uns das Schauspiel einmal aus der Nähe an.

Blick hinab in die St. Margaret's Bay
Blick hinab in die St. Margaret's Bay
Das selbe Stück von unten betrachtet
Das selbe Stück von unten betrachtet

Kaum ein anderer Ort in England ist weiter von Schottland entfernt, so stiegen wir zurück in unser Auto und fuhren zu dem ersten Übernachtungsort, bekannt aus vielerlei Geschichten und Legenden, Filmen und Büchern, Historie und Biographien, kamen in einem typischen Arbeiter-Reihenhaus unter, wo unser Zimmer den Begriff schäbig neu definierte und streunten dann von dort aus in die Stadt, sahen den South Park, vieles aus der Altstadt und vor allem Sonne

oxford'sche Arbeiterreihenhaussiedlungsschornsteinparade
oxford'sche Arbeiterreihenhaussiedlungsschornsteinparade
South Park (ohne Kenny)
South Park (ohne Kenny)
fragmentaler Blick über Oxford
fragmentaler Blick über Oxford

Später dann hatte Daniel den ersten Hitzestich.

In einen Pub einkehrend verbrachten wir den letzten heißen Stunden bei kühlem Trunk, und ich schrieb weitere Artikel unsres Reise-Blogs.

Folgend auf diesen kam der nächste Tag, wir packten, brachen auf; und noch in Oxford suchten wir einen tollkühnen Schreiberling, Erfinder eines Genres, Liebhaber der Sprache ... und seiner Luthien.

So fanden wir die Rast des unsterblichen Paares, gewiegt in Stille, Grün und Sonnenschein.

...laut Legende wiedergeboren...
...laut Legende wiedergeboren...

Auf unsrer Fahrt ins Dartmoor dann, passierten wir einen sehr alten Bau. Und weil das Feld bestellt war, konnte man ihn auch sehen.

Gehalten und bei über dreißig Grad ohn' Schatten zu diesen Steinkreisen geeilt, erlebten wir der Schafe Zierrat, welchen sie infernal auf alle Wege legten, Gedulds- und Geschicklichkeitsspiel zu gleichen Teilen. Doch als wir dann mit saub'ren Sohlen die alten Steine fanden, fanden sich vor ihnen, daneben und dahinter so viele Menschen, dass uns die Schaffäkalien vorher wohl als spärlich anmuteten.

Menschen (mit irgendwas dahinter)
Menschen (mit irgendwas dahinter)

Doch weil mein Kompagnon ausdauernd harrte und starrte und im rechten Augenblick den Auslöser zu tätigen weiß, bekamen wir auch ein Bild fern von Homo sapiens sapiens.

steinzeitliche Steinkreise
steinzeitliche Steinkreise

Danach bekam Daniel seinen zweiten Hitzestich.

Kühle versprach das Dartmoor, als wir bei ausklingendem Tag sanfte Hänge hinabfuhren, Straßen nutzend, welche nicht zwischen links und rechts unterscheiden mochten, weil man beidseitig mit den Rückspiegeln das Gestrüpp streifte.

Blick aus der alten Kapelle in Hoo Meavy
Blick aus der alten Kapelle in Hoo Meavy

Hoo Meavy heißt der Ort, an welchem wir zu einer Unterkunft fuhren, die als kapellenähnlich uns beschrieben ward und sich letztendlich als Kapelle entpuppte. Sie besaß sogar einen eigenen Friedhof, der nun den Besitzern des Hauses gehörte ... und wo die Belegschaft traditionell keine Miete zu zahlen hatte.

Von dort aus strichen wir das Land per pedes, da bald die Sonne unterzugehen gedachte, fanden ein paar neue Bekannte ...

Pferd und Esel (ich meine Daniel)
Pferd und Esel (ich meine Daniel)

... fanden verwaiste Gleise ...

einstige Eisenbahnbrücke als Viadukt
einstige Eisenbahnbrücke als Viadukt

... und Bergarbeiterhäuser aus dem 16, Jahrhundert.

16th Century Tin Miner's Cottage
16th Century Tin Miner's Cottage

Freundlich war auch der nächste Tag, an welchem wir die sogenannten Tors besuchen wollten, glatzköpfige Spitzen einzeln stehender Hügel, karstig geschliffen obenauf und unwirtlich dem Wind und Wetter ausgesetzt.

Zuerst jedoch sah der Plan vor, das Fahrrad zu ergreifen und nach autofahrenden Tagen, uns endlich etwas zu betätigen.

Nur eine Meile später ereilte Daniel der dritte Hitzestich, und dankbar sank er neben einem Trinkwasserfließ ins weiche Gras und schlief, garniert mit Pilzen aller Art, Libellenschwirr und Blumenduft, sich seine taube Birne weg, dass wir dann schließlich, ganz ohne großen Zeitverlust, vier Stunden später doch erneut das Auto nahmen und wussten, dass ab sofort die Fahrräder nur Ballast seien würden.

Auf unsrem Weg dorthin führte uns unser Weg durch Meavy, in dessen Zentrum eine gar alte Eiche thronte, hohl, rau und schön, in ihrem Schatten ein Gedenk des ersten großen Krieges und gleich daneben einen Friedhof und einen Pub, benannt nach jenem Baume vor dem Freisitz.

The King's Oak in Meavy
The King's Oak in Meavy

Das erste Tor war gleichzeitig das größte, prahlte mit Ausmaßen, die wir von unten gar nicht wahrhaben konnten und die sich unter glattem Schuhwerk ganz zaghaft nach und nach uns offenbarten.

Sheep's Tor
Sheep's Tor

Und keine Kamera ist fähig, dieses Gefühl dort einzufangen, wenn man den Kopf neigt oder dreht und in die Weite schaut, die Felder klein an andren Hängen sieht, Schafe wie weiße Punkte durch die Landschaft zieh'n, die Höhe erst beim Rückblick sichtbar wird und man sich fragt, wie man, um alles in der Welt, mit unpassendem Schuhwerk den Weg zurück bloß schaffen soll. Und um einen herum rasen die Schwalben, zu schnell fürs Auge, ziepen, flitzen, sind Elektronen, die nur dann ins Bild geraten, wenn man sie nicht versucht zu fotografieren.

Und allseits ist der Boden ausgespült von jenen Strömen, welche bei Starkregen die Hänge abwärts rauschen.

ein Zwanzigmeilenblick
ein Zwanzigmeilenblick
Schwalben über 100 Meter Tiefe
Schwalben über 100 Meter Tiefe

Die Fahrt zurück lässt uns spontan auf abseitigen Torf zum Halten kommen. Wir gehen noch ein anderes Tor an, das kleinste in dem Umkreis, das Black Tor.

An diesem Ort erfahren wir drei Dinge:

Erstens ist auch das Kleinste oft genug noch groß.

Der kleine Daniel auf dem kleinen Dark Tor.
Der kleine Daniel auf dem kleinen Dark Tor.

Zweitens ist hier die Erde unter Flatterbinse, Stechginster und Fetthenne tatsächlich Torf, was wir, als Fachlehrer der Geographie bis dahin sträflichst ignoriert haben.

Torf (von einer Torfnase fotografiert)
Torf (von einer Torfnase fotografiert)

Drittens ist das Land - wir wussten es bereits, doch hatten es erneut vor Augen - einfach nur schön.

Modulation der Ferne, mit Sonne, Heide und Pferden.
Modulation der Ferne, mit Sonne, Heide und Pferden.

Umwegig über Manchester, weil Daniel mir sein innig geliebtes Hard Rock Café zeigen wollte, erreichten wir Lancaster, wo ich, da mir die Menge des Gepäcks sehr wichtig war, im Haushalt meiner Schwester erst einmal meine Kleidung wusch, da ich für lediglich fünf Tage genug im Koffer hatte.

Nächsttägig schlenderten wir dann - und diesmal ohne Hitzestich - durch Lancaster, besahen uns das Castle und eine Kirche, beäugten Hinterhöfe, Seitengassen, Passagen und den Pub Bier & Twist, lernten viel über die Geschichte des Ortes und genossen einfach die Gastfreundschaft meiner Halbschwester, ihres Mannes und ihrer Tochter. Zwei Nächte verbrachten wir in ihrer kleinen Wohnung und haben so vieles gesehen, liefen laut Daniels KI am Handgelenk rund 22.000 Schritte und waren zuversichtlich, dass diese Reise - hoch nach Schottland - ein guter Stern begleiten sollte.

Es war laut meines Schwagers der letzte Sommertag in Lancaster. Es war der 02. Juli.

Beweisfoto, dass Steffen saubere Wäsche bevorzugt
Beweisfoto, dass Steffen saubere Wäsche bevorzugt
Hintereingang zur Priory des Lancaster Castle
Hintereingang zur Priory des Lancaster Castle

Von Lancaster zum Lake District erschien uns meines Schwagers Aussage als Unken, schien uns doch sonnig heiter unser Weg und war er warm und sicher.

Auch als wir dann zum Parken uns entschlossen und einen Weg einschlugen, welcher abrupt endete, wir diese Richtung aber beibehielten, bewachsenen Geröllhang abwärts rutschend am Fuß zwei mannshoch aufragende Mauern überspringen mussten und bei der ersten noch auf einer Straße landeten, war uns die Richtigkeit unseres Handelns stets bewusst.

Hang zum Leichtsinn
Hang zum Leichtsinn

Belohnt wurden wir jedoch dann von einem wunderschönen See, an dessen Rändern Baldrian und Mädesüß wuchsen, Blutweiderich nebst Hahnenfuß spross, und das Nebelnass der Hänge über flussbreite Schilperungen dort wo es gerade ging dem See zu floss.

Derwent Water
Derwent Water
Abfluss des Hang- und Sickerwassers als Zufluss zum Derwent Water
Abfluss des Hang- und Sickerwassers als Zufluss zum Derwent Water

Zuziehend zeigte uns der Himmel darauf, dass vieles möglich ist, so auch die Möglichkeit des Regens. Doch erst einmal führte uns unser Weg zu einem alten Bauwerk, zwar viel, viel jünger als Stonehenge, aber nicht weniger beeindruckend, wenngleich man vielerorts davon heute nur noch spärliche Reste sieht.

Die Rede ist vom Hadrianswall, einer 117,5 Kilometer langen Mauer, quer durch die Insel Britannien führend, vom Mare Hibernicum zum Mare Germanicum, bei einer Höhe von bis zu fünf Metern an den dicksten Stellen drei Meter breit.

Heute ist der Grenzwall zwischen dem Römischen Reich und den Barbaren im Norden größtenteils abgetragen, verschüttet, anderweitig neu verbaut, doch findet man noch immer Spuren dieser imposanten Anlage, teilweise in der Landschaft verstreut, Hänge hinabgerollt, oder die toten Stümpfe einstigen Lebens ragen durch Ausgrabungen wieder zwischen Gras, Stechginster und Heidekraut hervor.

Überreste des Kastell Birdoswald
Überreste des Kastell Birdoswald
herab gerollte Trümmer des Pike Hill (Signalfeuer, 170m östlich des Banks East Turms)
herab gerollte Trümmer des Pike Hill (Signalfeuer, 170m östlich des Banks East Turms)

Langsamer Nieselregen setzt ein, ölt und poliert uns, bis die Tropfen dick von unsrer Kleidung tropfen.

Dennoch halten wir kurz nach der Weiterfahrt noch an der Lanercost Priory, einer geschichtsträchtigen Priorei, welche mit windschiefen Grabsteinen, nacktem Mauerwerk und ungewohnter Zurückhaltung aufgrund von ausreichend Raubzügen protzt.

Hier lagerte Robert the Bruce drei Tage und beginn "unglaubliche Untaten" als er Kanoniker einsperrte und später wieder frei ließ. Ja, wer als Terrorist gilt, wird stets gescholten, während der Freiheitskämpfer nur das Gute im Schilde führt.

Priorei von Lanercost (Schokoladenseite)
Priorei von Lanercost (Schokoladenseite)
Priorei von Lanercost (Unterseite)
Priorei von Lanercost (Unterseite)

Strömend wird der Regen, größer, breiter, heftiger, während die Straßen enger und voller werden.

Missmutig steuert Kutscher Daniel seinen Volkswagen an der Abfahrt zum Wallace-Denkmal vorbei, ebenso ignoriert der den Wegweiser zum Rob-Roy-Monument. Schlechte Laune rieselt ihm ins Gemüt, bewölkt seine Sicht auf die Welt, vernebelt ihm - und damit mir - die Chance, die Dinge zu erleben, wegen derer wir hier sind.

Aus dem Auto heraus fotografiere ich die farbenfrohe, idyllische, weite Landschaft.

irgendwo dort, wo es so aussieht
irgendwo dort, wo es so aussieht

Abends dann erreichen wir die Craig Highland Farm, ein konkaver, hufeisenförmiger Weg an einem bewaldeten Hang in den Highlands. Die Hühner- und Gänserassen sind nicht zählbar, Rinder, Ziegen und Schafe gibt es hier, genauso Pferde und Perlhühner, sowie einen Hund.

Hangabwärts gleitet die Farm in eine Gezeitenzone aus, die bei unserer Ankunft noch einen See bildet, bei der Abfahrt aber nur noch ein Rinnsal beinhalten wird.

Unsere Unterkunft ist eine auf der Seite liegende Kiste, in der es keinen Strom und kein Schloss gibt. Aber es gibt ein Fenster ... das defekt ist und beim Öffnen zu fliehen versucht.

Der Weg zur Dusche ist zweihundert Meter lang, und wenn man dort ankommt, kann man kehrt machen, weil man vom Himmel bereits geduscht wurde.

Fünf Stunden sitzen wir, trinken eineinhalb Flaschen Whisky und beschließen, das Zelt die nächsten Tage nicht zu nutzen und stattdessen Unterkünfte zu buchen.

Ausschnitt aus der Craig Highland Farm
Ausschnitt aus der Craig Highland Farm
Kim Cowdashian & Marylin Moonroe
Kim Cowdashian & Marylin Moonroe

Der nächste Tag überrascht mit Regen und Daniels Laune hat einen Punkt unter Null erreicht. Ich schlendere noch kurz zum Abschied von Weide zu Weide und grüße zum Abschied.

Doch jetzt sind wir ja endlich im Norden. Schottland hat uns. Wir haben Schottland. Daniel will Architektur und Geschichte erleben. Ich will Fossilien suchen.

Also auf zur Isle of Skye.

Als wir beim ersten Halt ein Hochmoor bestaunen und zum Auto zurückkehren, schläft es tief und fest.

Erst als ich es mit Daniel darinnen anschiebe und es über einen Hügel rollen lasse, kommt es wieder in die Puschen. Von diesem vehikulärem Narkolepsieanfall irritiert, steuern wir zaghaft die nächste Einkaufsmöglichkeit an und müssen feststellen, dass das Auto wieder sein Stichwort verpasst, und die Insulaner sehen einen Dicken mit Backenbart einen Glatzkopf mit Vollbart über den Kundenparkplatz schieben. Nun haben wir zwar Essen, aber noch nicht gegessen, müssen also an einer illustren Stelle, wo es mal nicht regnet, anhalten. Zum Glück ist die Abfahrt danach lang, denn erst spät startet die Karre endlich, was zur Folge hat, dass ich den ganzen Weg hinterher renne.

Nun wird auch meine gute Laune strapaziert.

Es ist Samstag, und die nächste offene Werkstatt im Umkreis von 100 Kilometern ist auch fast so weit entfernt. Also tritt Daniel aufs Pedal, pflügt eine Autobahn in die Isle of Skye und erreicht mit glühendem Auspuff den Schlauchort Lochcarron am Loch Carron, wo vom Facharzt für Auspuff, Bremsen, Gas und Scheibenspüli eine defekte Batterie diagnostiziert wird. Für einen schottischen Freundschaftspreis geht sie über die Ladentheke, und wir fahren zu einer frisch gebuchten Unterkunft am Loch Carron, beziehen das luxuriöseste Zimmer der ganzen Fahrt und freuen uns auf den nächsten Tag ... denn diesen durfte man getrost vergessen.

Trotzdem gehe ich noch an den Strand und suche nach Fossilien, die es hier nur sehr sporadisch gibt. Aber die Landschaft ist wie immer ein Traum.

der Strand von Ardaneaskan
der Strand von Ardaneaskan

Am nächsten Morgen starten wollend, rührt sich das Auto keinen Zentimeter, tut keinen Mucks, will nicht, kann nicht. Als der Sohn unser Gastgeberin nachforscht - er repariert Schiffsmotoren - findet er einen kaputten Anlasser und uns wird die Offerte gemacht, eine weitere Nacht kostenlos dort zu verbringen, da erst am nächsten Tag ein neuer Anlasser bestellt werden könnte.

Daniel geht wieder ins Bett, doch ich raufe mich zusammen, schnalle meine Umhängtasche um, binde die Regenjacke an stapfe die Straße hinab, zwei Meilen durch Highlands, Regen, Schafherden und Menschenleere, bis ich das Strome Castle erreiche. Dort durch die Ruine streife und die Freundlichkeit des Ortes und anderer Menschen genieße.

Kurz war das Leben dieses Castles, bewegt und abenteuerlich, ehe es im wahrsten Sinne explosiv ein Ende fand.

Strome Castle von der Straße aus
Strome Castle von der Straße aus
Strome Castle (vorn Reste des gesprengten Turms)
Strome Castle (vorn Reste des gesprengten Turms)

Brauchte ich für den Hinweg knapp eine Stunde, habe ich mir das idiotische Ziel gesetzt, zurück am Strand zu wandern, und entgegen der Mahnungen von Sheena, unserer Gastgeberin, setze ich das Vorhaben auch in die Tat um, habe Glück und nutze das Zeitfenster der Ebbe und krauche schließlich nach über vier Stunden wieder auf den Strand von Ardaneaskan, habe alles mögliche an Höhen überwunden, musste klettern, kraxeln, krauchen, kriechen, teilweise aus zehn Metern Höhe einen trockenen, algenfreien, ebenen und nicht brüchigen Pfad suchen und fühlte mich so frei, wie selten. Ich fand zerschellte Boote, tote Haie, Keramikscherben alter Zeit, Muschel- und Schneckenschalen, Lost Places und Ruinen bruchsteiniger Häuser und vor allem: Ruhe

ruinöse Fischerhäuser
ruinöse Fischerhäuser
ohne Worte
ohne Worte
ganz normaler Weg zur Arbeit
ganz normaler Weg zur Arbeit
Lost Place
Lost Place

Nächsten Früh - es ist Montag - teilt uns Sheena mit, dass ein neuer Anlasser frühestens am Freitag kommen wird, über dreihundert Pfund kostet und selbst dann nicht klar ist, ob nicht noch etwas anderes kaputt ist.

Alle Buchungen werden in den Wind geblasen, kurzerhand das Auto bestückt, sich verabschiedet und nach einer geglückten Starthilfe verlassen wir diesen wunderschönen Ort.

Es ist 9.50 Uhr.

Daniel wird 24 Stunden später die ganze Strecke allein gefahren sein.

Auf der Fähre, die vorher noch gebucht werden muss, sind wir siebeneinhalb Stunden später.

Als wir von der Fähre runterfahren wollen, springt das Auto nicht an und wir lernen, dass es auch auf Schiffen Starthilfesets für PKWs gibt.

Über Flandern tobt eine Donnergewitter, welches den Nachthimmel zwischen Calais und Dortmund erhellt.

Über den Niederlanden geht die Sonne auf, und weil das Land so flach ist, genieße ich das Zentralgestirn ungestört auf dem ganzen Weg durch denn kleinen Staat.

Im Ruhrgebiet ist gerade Berufsverkehr. Muss man auch mal gemacht haben.

Und bei Kassel holt die Autobahnpolizei zwei übermüdete und sehr suspekt 50 km/h schnell fahrende Personen von der Autobahn.

Zum Glück dürfen wir weiter, obwohl wir tranig verraten, was am Auto defekt sein könnte.

Es wird noch viel mehr defekt sein.

Um 9.50 Uhr erreichen wir wieder Kirchworbis, wo uns Daniels Eltern begrüßen und Daniel erst einmal ins Koma fällt, während ich seine Eltern, deren Haus und ihren Garten kennenlerne und mit einem schönen Stück Eichsfelder Wurst endlich mal wieder etwas ordentliches zwischen die Zähne bekomme.

niederländisches Morgenrot mit belgischen Regentropfen auf deutscher Frontscheibe
niederländisches Morgenrot mit belgischen Regentropfen auf deutscher Frontscheibe

Also ich würd's wieder so machen.

Dann aber mit der Möglichkeit, die Unterkünfte zu stornieren.


Liebe Grüße

Steffen

Über den Gastautor: Steffen ist Lehrer und begeistert sich für historische Orte, Fossilien und Poesie. Gemeinsam mit seinem besten Freund startete er diesen Sommer einen Trip ins Vereinigte Königreich. Doch sie waren nicht nur zu zweit unterwegs; denn auf ihre Reise nahmen sie uns virtuell mit - über ihren Blog https://broadtrip0.wordpress.com/. Dabei wird das Berichten der Reisen mit  streichelnder Poesie verbunden. Zusätzlich hat Steffen noch einen weiteren Blog, wo er dramatische, tiefgreifende und phantastische Poesie und Texte zum Lesen und Nachdenken verfasst.


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Warum hält Reisen gesund? - Reisen ist nicht nur ein persönlicher Gesundheitsbooster, sondern auch zahlreiche Studien besagen, das Reisen nicht nur glücklich sondern auch gesund macht und uns vor Krankheiten schützt. In amerikanischen Forschungsinstituten wurde festgestellt, dass Menschen, die öfters verreisen ein geringeres Risiko haben an Herzinfarkt oder Depressionen zu erkranken. Reisen entspannt - dass sorgt für einen niedrigeren Blutdruck, besseren Schlaf und das man Stresssituationen besser übersteht. Dabei kommt es beim Urlaub nicht auf die Dauer an, sondern auf die Häufigkeit; auch Kurzurlaube haben einen positiven Effekt auf unsere Psyche und den Körper. Quelle: https://www.travelex.de/online-reisemagazine/reisetipps/reisen-haelt-gesund

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4 Comments


Katja - WuselGewusel
vor 4 Tagen

Was für ein toller Beitrag, coole Fotos und genial geschrieben. Schade, dass das Auto nur nicht so mitmachen wollte und die ganze Unternehmung wohl zu einem noch größeren Abenteuer gemacht hat als geplant.

Ich war selbst schon in Schottland und auch auf der Isle of Sky. Ein tolles Land, die unzähligen Schafherden fand ich richtig gut. Am Grab von Tolkien möchte ich unbedingt auch noch vorbeischauen! Als großer Mittelerde Fan definitiv Pflichtprogramm. :)

Liebe Grüße, Katja

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Romy
vor 5 Tagen

Einfach nur traumhaft schöne Aufnahme und ein Land voller Geschichte. Auch wenn die Reise nicht so verlief wie geplant, hat sie sich dennoch mehr als gelohnt. LG Romy

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Sabine
vor 7 Tagen

Wow. Was für ein herrlicher, poetisch angehauchter, mitreißender Reisebericht! Das war spannend zu lesen, ich bin sehr beeindruckt und voller Mitleid! Es hätte so schön sein können - aber diese Reise wird euch bestimmt noch lange, sehr lange in Erinnerung bleiben!

Liebe Grüße an Daniel, der sich hoffentlich wieder erholt hat. Der Arme.

Und Grüße auch ans (fast) treue Auto. R.I.P.


Danke für diesen Gedankenausflug!

Sabine aus dem Mausloch 🐭

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Steffen Köppen
vor 6 Tagen
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Hallo Sabine a.d. Mausloch, danke für Deine schönen Worte, mich tief im Herzen treffend, positiv durchbohrend. Es freut mich, dass Du meinen Beitrag so annimmst, wie ich ihn meinen könnte. Liebe Grüße PS: Deine Grüße an Daniel werde ich weiterleiten. :)

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